Fallbeispiel Rückkehrer , , Wie können Eltern mit der Heimkehr ihres Kindes umgehen? Wie können sie mit der neuen Situation umgehen?
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Für die meisten Familien ist es ein Schock, wenn sich die Tochter oder der Sohn der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anschließt. Die Jugendlichen verlassen ihr Elternhaus und reisen aus, um an der Seite der Islamisten zu kämpfen. Der Kontakt bricht manchmal komplett ab. Wenn das Kind wieder nach Deutschland zurückkehrt, wollen viele Eltern vor allem eins: ihre Tochter oder ihren Sohn schützen.
Über Nacht verschwunden
Patrick* verschwand über Nacht. In nur wenigen Monaten war aus dem unauffälligen Schüler ein Islamist geworden. Wie es dazu gekommen war, wusste seine Mutter nicht. Patrick war Gesprächen mit ihr aus dem Weg gegangen. Als er dann plötzlich nicht mehr da war, ahnte sie, dass sein Verschwinden etwas mit seinen neuen radikalen Ansichten zu tun hatte.
Suche führt zu einer radikal-islamischen Moschee
Patricks Mutter suchte ihren Sohn überall. Sie wusste bald nicht mehr, wie oft sie seine Handynummer gewählt und die automatische Mailboxansage gehört hatte. Sie rief seine Lehrerin an, besuchte sogar seine Schule und sprach mit seinen Klassenkameraden. Sie fand nichts, keine Spur, nur den Namen einer Moschee in der Nachbarschaft. Jeden Abend ging sie in das Zimmer ihres Sohnes, in der – wie sie wusste – vergeblichen Hoffnung, ihn am Schreibtisch sitzend zu finden. Sie fühlte sich wie betäubt. Nach drei Monaten vergeblicher Suche erhielt sie einen Anruf von der Polizei. Der Beamte teilte ihr mit, dass ihr Sohn in Syrien für den IS kämpfte. Sie konnte nicht glauben, was der Mann am anderen Ende der Leitung sagte. Sie fragte mehrmals nach, ob der Beamte sicher sei, dass es sich um Patrick handelte. Nach dem Telefonat saß sie noch lange neben dem Telefon und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Heimkehr, Strafanzeige und Medieninteresse
Patricks Mutter hörte ein Jahr lang nichts von ihrem Sohn. Dann erhielt sie eines Tages eine Nachricht auf ihrem Handy: Er sei nun wieder in Deutschland, mit seinem Kind. Als er dann mit seinem Kind auf dem Arm vor der Tür stand, umarmte sie ihn dennoch überschwänglich.
Schon am nächsten Tag erhielten sie eine Vorladung der Polizei. Patrick solle als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren aussagen - der Tatvorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Anrufe der interessierten Presse begannen kurz darauf, drängend, mehrmals täglich. Als die Fotografen anfingen, ihr Haus zu belagern, schien es Patricks Mutter, als wenn alles wieder von vorne beginnen würde: die Ohnmacht, die Schuldgefühle, die Scham vor der Nachbarschaft, die Angst, ihren Sohn zu verlieren.
Wenn das Kind wieder zu verschwinden droht
Auf ihrer Suche nach Hilfe stieß Patricks Mutter im Internet auf die Beratungsstelle Radikalisierung. Sie wartete, bis ihr Sohn sich zu einem seiner langen Telefonate in sein altes Kinderzimmer zurückzog, und rief die Hotline an. Sie begann am Ende statt am Anfang der Ereignisse und erzählte stockend, doch den Berater am anderen Ende schien das nicht zu stören. Sie sprach über ihre Sorge, dass man ihr den Sohn wieder wegnehmen würde. Dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Über die bohrenden Fragen, die sie wachliegen ließen. Wie es so weit hatte kommen können. Was ihrem Sohn, der kaum noch sprach, im Krieg passiert war. Was sie falsch gemacht hatte. Was konnte sie jetzt tun, um ihr Kind und ihr Enkelkind zu schützen? Vor den Behörden, vor den Medien, vor den Blicken der Nachbarschaft?
Wer hat Schuld, wenn sich das Kind radikalisiert?
Sie redete lange und war dankbar, dass der Mann am anderen Ende sie nicht unterbrach. Er stellte nur ab und zu eine Frage, und als sie nichts mehr zu erzählen hatte, sprach er ihr Mut zu: Hier ging es nicht darum, wer Schuld an der Situation hatte. Es ging darum, Patrick gemeinsam mit erfahrenen Fachleuten aus den radikalen Kreisen herauszuholen, in denen er sich der Erzählung seiner Mutter nach vielleicht noch bewegte. Wenn er und sein Kind traumatische Dinge erlebt hatten, dann würde die Beratungsstelle vor Ort einen Psychologen hinzuziehen, der mit der Familie behutsam das Erlebte aufarbeitete.
Patrick wartet nun auf seinen Prozess. Die Familie erhält psychologische Betreuung und steht im ständigen Austausch mit der Beratungsstelle vor Ort.
*Der Fall Patrick ist fiktiv. Wir behandeln alle Informationen unserer Anruferinnen und Anrufer streng vertraulich, deshalb wird hier kein reales Beispiel beschrieben.